Bericht Jahrenshauptversammlung 2022

„Ebbe im Wald: Es gibt nichts mehr zu vermarkten“
so lautete die Überschrift der Rhein-Zeitung zu deren Bericht über die Jahreshauptversammlung des Waldbauvereins Altenkirchen e. V. am 18.07.2022 in Wissen, die geprägt war vom Ende der Holzvermarktungsgesellschaft Westerwald Sieg GmbH und den Diskussionen um das komplexe Thema der forstlichen Förderung.

Zum internen Teil begrüßte der Vorsitzende Friedrich Freiherr von Hövel die anwesenden Mitglieder und stellte die form- und fristgerechte Einladung zur Versammlung fest.
Stellvertretend für alle im vergangenen Jahr verstorbenen Mitglieder wurde den Herren Hubert Himmrich aus Alsdorf und Dieter Köhler aus Herdorf namentlich gedacht.

In seinem Geschäftsbericht erinnerte der Geschäftsführer Alois Hans an die wichtigsten Veranstaltungen und Aktivitäten der Jahre 2021, die coronabedingt erneut erheblich reduziert werden mussten:

Ferner berichtete er, dass mit Ablauf der Beantragungsfrist im Oktober 2021 rund 250 Mitglieder des Waldbauvereins insgesamt mehr als 1 Mio Euro aus dem Unterstützungsprogramm des Bundes (Nachhaltigkeitsprämie Wald) erhalten haben.
Zudem hat der Waldbauverein mit der ZdF über eine Anschlussregelung für die auslaufende Vereinbarung über die Berechnung der pauschalen Beförsterungsgebühren im Gemeinschaftswald verhandelt. Wegen der Veränderungen in den Wäldern und der unsicheren zukünftigen finanziellen Ertragslage der Betriebe, hat man sich nur auf eine kurze Zeit neu vereinbart (1 Jahr). Der Forderung des Waldbauvereins nach einer deutlichen Reduzierung der Gebühren, wurde von der ZdF unter Verweis auf die Vorgaben des bestehenden Gebührenverzeichnisses von Landesforsten nicht entsprochen.
Im Hinblick auf die in 2023 stattfindenden Sozialwahlen, warb der Geschäftsführer für eine rege Beteiligung an derselben. Waldbesitzende Betriebe hätten aufgrund ihrer Vielzahl die große Chance, ihre Interessenvertretung bei der SVLFG zu stärken.

Der Geschäftsführer erläuterte sodann die wichtigsten Einnahme- u. Ausgabenpositionen im Haushalt des Jahres 2021. Im Wesentlichen stimmen Haushaltsansätze und Istwerte überein. Abweichungen wurden erläutert.
Für die Kassenprüfer trug Herr Rudi Weigold den Kassenbericht vor. Er berichtete von einer ordentlichen und vollständig belegten Kassenführung. Beanstandungen ergaben sich keine.
Die anschließend vorgeschlagene Entlastung von Vorstand und Geschäftsführung wurde von der Versammlung einstimmig beschlossen.
Für den verstorbenen Kassenprüfer Hubert Himmrich wurde Ewald Pfau aus Hirz-Maulsbach als Kassenprüfer gewählt.

Der vom Vorstand vorgelegte und vom Geschäftsführer vorgestellte Haushaltsplan 2022 wurde ohne Gegenstimme angenommen.

Im Statusbericht der Holzvermarktungsgesellschaft Westerwald Sieg GmbH Forstwirtschaftliche Vereinigung (HWS) erläuterte der Geschäftsführer der HWS Alois Hans die wichtigsten Geschehnisse im abgelaufenen Geschäftsjahr, die Entwicklungen in 2022 und die daraus resultierenden Konsequenzen.
Die Nachfrage nach Holz hielt auch mit Beginn des Jahres 2021 unvermindert an und war bei schon spürbar zurückgehenden Mengen nicht mehr zu bedienen. Die Schnittholzmärkte (USA, China, Europa) erlebten einen Boom, den die Verbraucher durch ein knappes Angebot und deutliche Preissteigerungen zu spüren bekamen.
Da die Exportpreise hoch blieben, mussten auch die heimischen Säger die Rundholzpreise ständig nach oben anpassen, um überhaupt noch Holz zu bekommen.
Trotz günstigerer Witterungsbedingungen als in den Vorjahren, breitete sich die Kalamität in den angrenzenden Gebieten (Sauer-, Siegerland) weiter aus.
Mit über 245.000 Fm wurde die zweitbeste Vermarktungsmenge erreicht, mittlerweile vor allem im Selbstwerbungsgeschäft.
Stürme sorgen zu Beginn des Jahres 2022 für Windwurf in durch aufgerissene Ränder anfälligen Beständen (Lärche, Eiche) – die Mengen bleiben aber gering.
Nach der Kalamität stellt sich die Frage nach dem Umfang des zukünftigen nachhaltigen Holzaufkommens.
Das Forstamt geht nur noch von geringen Mengen im Vergleich zu vor der Kalamität aus (1-1,50 Fm/Jahr/ha).
Das für die Förderung wichtige Effizienzkriterium (1,50 Fm/Jahr/ha) will das Land nicht aufheben.
Falls dieses Förderkriterium nicht erreicht wird, droht in 2022 ein erheblicher Verlust.
Unter diesen Umständen und Aussichten ist der weitere Geschäftsbetrieb nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Die Einstellung des Geschäftsbetriebes zum 31.12.2022 ist unvermeidlich.
In einer gemeinsamen Sitzung vom Vorstand des Waldbauvereins und des Beirates der HWS wurde diese Absicht vorgestellt, diskutiert und bestätigt.
Mit der kommunalen Holzvermarktungsgesellschaft Westerwald-Rhein-Taunus (WRT) wurde ein erstes Gespräch geführt.
Ein Abstimmungsgespräch mit Beteiligung von Forstamt, ZdF, Ministerium, Kommunen, WRT und HWS folgte.
Für unsere Kommunen ist ein Übergang zur WRT und auch die Mitwirkung in Gesellschafterversammlung und Beirat dort problemlos möglich.
Für die privaten Waldbesitzer (Gemeinschaftswälder und Kleinprivatwälder) zeigt sich die WRT aufgeschlossen.
Der Holzverkauf durch die WRT Holz erfolgt auf der Basis von Verkaufsvollmachten und gegen Entgelt.
Die HWS wird die Holzverkaufsgeschäfte noch bis zum 31.12.2022 abwickeln und bis zum Ende des ersten Quartals 2023 den Jahresabschluss für das letzte reguläre Geschäftsjahr 2022 vorlegen.

Die HWS soll stillgelegt und nicht liquidiert werden.

Nachdem sich aus der Versammlung keine Nachfragen ergaben, bedankte sich Freiherr von Hövel bei Herrn Hans für die geleistete Arbeit unter außerordentlich schwierigen Bedingungen.
Er appellierte an die Betriebe, noch zu vermarktende Mengen der HWS zum Verkauf anzubieten.

Nach einer kurzen Pause, eröffnete Friedrich Freiherr von Hövel den öffentlichen Teil. Er begrüßte namentlich die zahlreichen Ehrengäste, Vertreter aus Politik und Verwaltung sowie die Presse.

Die Kalamität habe riesige Kahlflächen im Wald und bei den Waldbesitzenden eine gehörige Frustration hinterlassen. Die Wiederbewaldung sei eine Herkulesaufgabe, Hitze und Trockenheit dabei ständige Begleiter in Gegenwart und Zukunft. Die Unsicherheiten nähmen zu und die Wirtschaftlichkeit der Forstwirtschaft sei immer stärker gefährdet. Mit dem Wiederaufbau der Wälder sei es schließlich nicht getan, da niemand wisse, wie die Pflege der Jungbestände personell und finanziell geleistet werden könne.
Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an den Wald durch die Gesellschaft, jedoch sei derzeit eine viel zu geringe finanzielle Unterstützung durch den Staat und nur bei Erbringung zusätzlicher Leistungen durch die Waldbesitzenden absehbar.
In unserer Region führe der erheblich reduzierte Holzeinschlag dazu, dass die Geschäftsfortführung durch die HWS nicht mehr möglich sei. Das verbleibende Holz solle durch die kommunale Holzvermarktungsgesellschaft Westerwald-Rhein-Taunus vermarktet werden.
Für den Waldbauverein bleibe mit dem vorläufigen Ende der HWS die Professionalisierung in gewohnter Form auf der Strecke.
Themen der Zukunft seien der Windkraftausbau im Wald, die Waldbewirtschaftung in FFH-Gebieten und die Auswirkungen der EU-Biodiversitätsstrategie.
Bei der Förderung sei eine enorme Komplexität, erheblicher bürokratischer Aufwand sowie eine exorbitant lange Abwicklungsdauer zu beklagen.

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Mit diesen Worten war die Überleitung zum Vortrag von Frau Carmen Barth, Referatsleiterin Landeswaldpolitik bei der obersten Forstbehörde im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität gegeben. Überschrift: „Forstförderung 2022 und Waldpolitik“

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Die Klimakrise bilde den alles prägenden Hintergrund bei der forstlichen Förderung, was bereits an dem Umfang der Entwicklung der Fördermittel über die Jahre erkennbar sei. Ein Teil der Komplexität der Materie rühre daher, dass EU, Bund und Land beteiligt seien.
Sie appellierte an die Waldbesitzenden auf die Unterstützung (Förderung) im politischen und gesellschaftlichen Raum zu drängen. Bei der Digitalisierung des Förderprozesse stehe man leider noch ganz am Anfang. Neben den etablierten Regelungen zur Förderung der Wiederaufforstung auf Kalamitätsflächen, werde man zukünftig auch die Jungwaldpflege fördern.
Eine Honorierung der sog. Ökosystemleistungen durch den Bund halte sie für unwahrscheinlich. Vielmehr zeichne sich ab, dass es eine Förderung für klimaangepasstes Waldmanagement geben solle. Zwar seien die Bedingungen im Detail noch nicht bekannt, jedoch halte sie diese nach dem bisherigen Informationsstand für akzeptabel.
Für die Waldbewirtschaftung in Natura 2000-Gebieten sei eine Checkliste entwickelt worden, die man auch privaten Waldbesitzenden aus Gründen der Rechtssicherheit zur Anwendung empfehle.

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Im Anschluss an den Vortrag entspann sich eine lebhafte Diskussion. Ausgelöst wurde diese durch ein Statement von Dr. Franz Straubinger in dem dieser das Misstrauen von Gesellschaft und Verwaltung gegenüber den privaten Waldbesitzern beklagte. Er warnte davor, die Möglichkeiten der Anpassungsfähigkeit der heimischen Baumarten durch die Epigenetik zu überschätzen. Klüger sei es, auch nach Alternativbaumarten zu schauen. Im Übrigen werde der Pflegeaufwand für die „neuen“ Wälder völlig unterschätzt. Die Leistungen des Waldes würden nicht anerkannt und honoriert, die in Aussicht gestellten Mittel seien vollkommen unzureichend. Der Waldbesitz brauche echte Unterstützung.
Seinen Ausführungen über die Komplexität der Fördervorschriften und der unmöglich langen Verfahrensdauer schlossen sich etliche andere Mitglieder an. Den Vorwurf einer Forstförderungsverhinderungspraxis wollten weder Frau Barth noch der anwesende Leiter der Zentralstelle der Forstverwaltung Stefan Asam so stehen lassen. Asam erläuterte die Personalsituation seiner Behörde und dass man alles tue, um diese zu verbessern. Vorerst versuche man dies durch Umstrukturierung, da trotz ausgeweiteter Stellenpläne Neubesetzungen kaum möglich seien. Der forstliche Arbeitsmarkt sei leergefegt. Bezüglich der Perspektiven bei der Baumartenwahl warnte er vor falschen Erwartungen bei Alternativbaumarten. Gerade die Douglasie beweise zur Zeit, dass es auch zur Anpassung von Schadorganismen kommen werde, die an mancher in diese Baumart gesetzten Hoffnung zweifeln lasse. Diversifizierung sei angesichts der Unsicherheiten das Gebot der Stunde.
Es sei leider festzustellen, dass gesellschaftliche Veränderungen althergebrachte Ansichten in Frage stellen würden, so auch die, dass die Forstpartie als alleiniger Träger von Kompetenz und Zuständigkeit bei Themen rund um den Wald anerkannt werde. Dem habe man sich zu stellen.


Mit einem Präsent und dem Dank bei der Referentin für den Vortrag sowie den Anwesenden für ihr Erscheinen und die rege Beteiligung schloss der Vorsitzende die gut 3-stündige Versammlung.